Einst glaubte ich, natürliche Sprachen seien wie die Mathematik nur der neutrale Träger von Information. Aber das war auch die Zeit, als ich noch glaubte, gute Musik bestände in der korrekten Abfolge der Töne.
Sprache und Denken, sie bilden eine Einheit. Diese wird uns bewusst, wenn wir uns Gedanken darüber machen. Wir denken immer in einer Sprache, meist in unserer Muttersprache. Wenn wir denken, dann nur dass, was wir auch benennen können. Alles andere ordnen wir Gefühlen zu, nicht Gedanken. Wenn wir jedoch wirklich mal etwas denken, wofür wir kein Wort besitzen, wofür wir kein Wort finden, so erfinden wir ein neues Wort. Ist der menschliche Verstand nicht genial?
Aber Wörter sind nicht nur deskriptiv, das heisst, sie beschreiben nicht nur, sie werten auch explizit oder implizit. Ob nun Polizist, Bulle oder staatlich lizenzierter Wegelagerer, gemeint ist immer die gleiche Person, nur die Wertung der Person ist eine offensichtlich andere. In diesem Fall ist die Wertung (zumindest im dazugehörigen Kontext) unzweideutig. Doch unsere Sprache kann feiner, viel feiner. So kann ich ein Produkt als «preiswert», «günstig» oder «billig» bezeichnen. Alle drei Adjektive beschreiben ein nicht teures Produkt, werten aber leicht anders.
Solange wir uns dessen bewusst sind, die Alternativen auch kennen und nutzen, ist dies kein grundsätzliches Problem. Problematisch wird es aber sobald wir keine Alternativen mehr nutzen, oder gar keine mehr existieren. Eine grosse Diskussion, die wir als Gesellschaft momentan führen, dreht sich um die gendergerechte Sprache. «Frauen sind mitgemeint» ist oftmals die Entschuldigung dafür, dass diese schlichtweg vergessen gingen, oder bewusst nicht adressiert wurden, wie beispielsweise im ach so wichtigen Buch unserer Kultur, der Bibel. Und es hat sich so in unser kollektives Gedächtnis gebrannt, dass es vermutlich niemanden gibt, dem die Hälfte der Menschheit nicht in einer Aussage auch schon mal vergessen ging.
Ein anderes Beispiel, wie Macht die Sprache zu ihren Gunsten geprägt hat, ist das Arbeitsverhältnis. Ein Arbeitsvertrag ist im Grunde genommen ein einfacher Tauschvertrag. Die eine Seite gibt Lebenszeit, die andere Seite gibt Geld (was genau Geld eigentlich ist, darüber könnte man auch ganze Bücher füllen). Damit klar ist, welche Seite welche ist, bekommen sie nun eigene Namen: Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in…
Kurz Pause: ein Tausch, Zeit gegen Geld, aber eine Seite nimmt angeblich nur und der andere gibt? Als ob es sich um eine Wohltätigkeit handeln würde? Muss man dankbar sein, arbeiten zu dürfen? Sollte man sich ob all des Grossmutes in den Staub werfen? Sind Arbeitnehmer*innen gar Diebe, die einfach nehmen, was nicht ihnen gehört?
Und ja, so wird es aufgenommen, denn Geben ist bekanntlich seliger als Nehmen. Oder wie Neoliberale seit gut 20 Jahren sagen: «Sozial ist, was Arbeit schafft». (Das Orginalzitat 1932/1933 stammt von der DNVP, welche in der NSDAP aufging)
Und nein, erfolgreiche Unternehmen schaffen keine Arbeitsplätze. Angestellte sind für fast alle Branchen der mit Abstand grösste Kostenfaktor. Erfolgreiche Unternehmen stellen dann neue Leute ein, wenn sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Humankapital die (kommenden) Aufträge nicht mehr bewältigen können. Und nur dann, alles andere wäre Verschwendung von Geldern. Und das kommt in der Privatwirtschaft ja angeblich nicht vor.
Aber diese Konnotation von gut und schlecht bei Arbeitgeber*in und Arbeitnehmer*in ist weder auf diese Begriffe, noch auf die deutsche Sprache beschränkt. Alternativ kann man beispielsweise auch von Angestellten (oder Beschäftigte, Lohnempfängern,… ) reden. Dazu gäbe es dann (zumindest in Gedanken) die Anstellenden: aktiv und passiv, in der Wahrnehmung wieder gut und schlecht. Auch englisch oder französisch haben wir «employer» und «employeur» auf der aktiven Seite sowie «employee» und «employé» auf der passiven.
Dabei gäbe es den einen Begriff, der auch diejenige Vertragspartei, welche die Arbeit auch wirklich verrichtet, als aktiv arbeitende Kraft bezeichnet: Arbeiter*in. Ich weiss, dass dieser Begriff auf die in unserer Gesellschaft kaum mehr existierenden Industriearbeiter*innen eingegrenzt wurde. Nur frag ich mich, ob das so bleiben muss.
Um zum Punkt zu kommen: ich bin dezidiert der Meinung, dass wer Arbeit im Lohn verrichtet, auch eine Bezeichnung verdient, welche diese Leistung würdigt.